Ich durfte gerade zwei herrliche, sehr erholsame Wochen in meiner Heimat Italien verbringen und bin so entspannt und erholt zurückgekommen, dass einige mich fragten, bei welchem Beauty Doc ich gerade war. Tatsächlich war es nur Sonne, Ausruhen, gutes Essen, liebe Freunde treffen und die Kraft der Stille.
Ich bin ein eher unruhiger und nervöser Mensch, ich bin sehr leicht erregbar und gerate relativ schnell aus der Fassung.
Die letzten Jahre und auch insbesondere das vergangene haben unglaublich an meinen Kräften gezehrt, was sich auch gesundheitlich deutlich bemerkbar gemacht hat.
Auch an den Wochenenden kam ich kaum noch zur Ruhe und habe eigentlich die ganze Zeit gearbeitet.
Und nun zwei ganze Wochen auf einem Hügel auf dem Land, ohne jegliche Ablenkung (bis auf den zauberhaften Hund, den meine Eltern vor einiger Zeit gefunden haben).
Ich habe jeden Tag einfach stundenlang im Garten gesessen, mir die Frühlingssonne ins Gesicht scheinen lassen, dem Wind gelauscht, die Vögel beobachtet und das Glitzern des Sees aufgesaugt. Ohne Ablenkung, ohne Betäubung, ohne Müssen.
Und zum ersten Mal nach langer Zeit habe ich wieder ein tiefes Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit, Ruhe und Entspannung gefühlt. Und von vollkommener Angstfreiheit.
Was ist da genau passiert?
Mein autonomes Nervensystem ist in den Zustand der ventrovagalen Sicherheit gekommen.
Um es vereinfacht zu erklären: unser autonomes Nervensystem (ANS), welches unser persönlicher Bodyguard ist und für die Wahrnehmung der Außenreize sowie für die unwillkürlichen Tätigkeiten wie atmen, verdauen und so weiter sorgt, besteht aus drei wichtigen Teilen:
Das parasympathische dorsale, welches für Immobilisierung und Erstarrung bei höchster Gefahr zuständig ist.
Das sympathische Nervensystem, welches für gesunde Aktivierung aber auch für Kampf und Flucht zuständig ist.
Und das parasympathische ventrale, welches für Entspannung und Sicherheit zuständig ist.
Über die so genannte Neurozeption, das Gewahrsein vor dem Bewusstsein, nimmt unser Nervensystem sämtliche Signale von außen wahr und je nachdem, welche Erfahrungen wir im Leben gemacht haben oder um welche Situation es gerade geht, wird eines der drei Systeme aktiviert.
In der Polyvagal Theorie von Stephen Porges werden diese drei Stränge des autonomem Nervensystems Polyvagal Leiter genannt: mehrmals am Tag klettern wir diese Leiter rauf und runter, d.h. mehrmals am Tag sind wir z.B. aktiviert, gestresst, sprachlos, handlungsunfähig, wütend oder freudig, entspannt, geborgen und sicher.
Alle drei Systeme sind wichtig und unverzichtbar.
Trotzdem sind heute sehr viele Menschen öfter in Erstarrung, Kampf oder Fluchtmodus und seltener in Sicherheit, Verbundenheit und Geborgenheit.
Das wunderbare ist, wir können lernen, diese drei verschiedenen Zustände ganz genau in uns wahrzunehmen. Und uns dann selbst zu regulieren.
Das erfordert zuerst etwas Übung und Training. Idealerweise mit einem Therapeuten, der sich damit auskennt (wie mich).
Und dann geschieht etwas Wunderbares! Nämlich, dass wir in der Lage sind, so wie ich jetzt im Urlaub in Italien, bewusst die Situationen zu suchen, die uns in Sicherheit und in Geborgenheit bringen.
Das geht übrigens auch im Alltag!
Und wie unser autonomes Nervensystem reagiert bzw. sich verändert, wenn wir unter Dauerstress stehen, wie zum Beispiel auch bei ungesunden und toxischen Beziehungen und was das wiederum mit Narzissmus zu tun hat, werde ich euch demnächst auch noch einmal erzählen.
Ich hoffe nun in den nächsten Wochen vielen meiner Klienten eine ganze Portion von meiner (ventrovagalen) sicheren Verbundenheit mitgeben zu können (das nennt sich dann Co-Regulation).
Und uns allen wünsche ich einen hoffentlich baldigen nährenden, auftankenden, wärmenden Frühling!