Heute ist der erste Advent und für die meisten Menschen in der westlichen Welt ist dies eine Zeit, in der sich alle Ruhe und Besinnlichkeit wünschen. Die Realität jedoch ist meist: Hektik, Stress, To-dos, Erwartungen in Hochpotenz vor dem alljährlich wiederkehrenden und uns doch immer wieder auf dem falschen Fuß erwischenden Weihnachtsfest. Nach dem Motto: „Oh Gott, ist schon wieder Weihnachten?“
Hand aufs Herz, für wie viele von uns ist das nichts anderes als ein hektisches Gerenne, oder? Damit dann an einem Abend für ein paar Stunden sowas wie Friede, Freude, Eierkuchen, „Besinnlichkeit, Wir-haben-uns-alle-lieb“ gespielt wird.
Mein Newsletter über die „Kunst der geheimen Kriegsführung unterm Tannenbaum“ ist ja alle Jahre wieder aktuell 😉
Heute möchte ich aber nicht über die besinnliche Weihnachtszeit schreiben, sondern über Zwangsbesinnlichkeit beziehungsweise Besinnung. Was ist das? Das ist, wenn wir Pläne machen und dann kommt alles ganz anders.
Ich habe anderthalb Jahre am Manuskript meines Buches gearbeitet und mich dabei über alle Maße verausgabt, da parallel noch mein ganz normaler Praxisbetrieb weiterlief, meine Coaching-Gruppen, mein Instagram-Account, mein Familienleben mit großen Herausforderungen durch alte und kranke Eltern.
Das Manuskript meines Buches ist abgegeben. Das Lektorat läuft gerade und in ein paar Wochen bekomme ich mein Baby zurück für Überarbeitung und Finalisierung, bevor es in den Druck geht. Aber statt der erwarteten und erhofften Euphorie, der Freude und des Glückes, endlich dieses Mammutprojekt zum Abschluss zu bringen, bin ich in ein tiefes Loch gefallen und habe vor allem gesundheitlich ordentlich eins vor den Bug bekommen. Eine Vollbremsung. Also bin ich zur Zwangsbesinnlichkeit verdonnert, beziehungsweise zur Besinnung. Ich muss buchstäblich mein Lebenskonzept auf den Prüfstand stellen. Das ist mit ganz vielen unangenehmen Gefühlen verbunden: mit Ängsten, mit Ungewissheit und mit der Erkenntnis, dass ich zwar mit Disziplin, eisernem Willen und einem übermäßigen Bedürfnis nach Kontrolle, im vermeintlichen Glauben, das würde mir Sicherheit geben, ganz gut durchs Leben komme, aber dass das leider alles nichts wert ist, wenn das Leben Dir gesundheitlich eine Vollbremsung verpasst. Und damit kenne ich mich eigentlich ziemlich gut aus, denn ich hatte in meinem Leben schon mehrere davon.
Nun liege ich also hier rum und versuche, mich zu besinnen. Vor mir liegt ein Buch „Weisheit des ungesicherten Lebens“ von Allan Watts… Mit diesem werde ich mich gemeinsam mit meinem Begleiter (hat jemand ein richtig gutes Wort für einen Mentor, Therapeuten, Coach, spirituellen Begleiter, Unterstützer, Spiegel, Heiler, weise Instanz in Personalunion?) in den nächsten Wochen beschäftigen. Der Autor schreibt: „Das Geheimnis des Lebens ist kein Problem, das gelöst werden kann, sondern eine Realität, die erfahren werden muss“. Nun denn, auf geht’s…
Ich fühle mich, nein, ich bin aufs Wesentliche reduziert, weil sehr vieles grade nicht geht.
Aber was ist das Wesentliche überhaupt? Wer bin ich? Was macht mich aus? Ich lese erneut „Selbst: Die Suche hat ein Ende“ von Anna Camilla Kupka (unbedingte Empfehlung und Geschenk für all Eure Lieben), ich versuche, mich zu finden, aber wie mein Begleiter es letztens treffend formulierte, bin ich eine, der ein Leben lang vermittelt wurde, dass es ums Suchen geht. Was ist, wenn wir aufhören zu suchen? Was finden wir denn dann?
Ich habe gefunden: Ambivalenz. Ganz viel. Gar nichts. Leere. Fülle. Angst. Hoffnung. Erfahrung. Ahnungslosigkeit. Wissen. Nix wissen. Dankbarkeit. Wehmut. Reue. Mitgefühl. Liebe und ein winziger Schimmer Vertrauen.
Hilfreich ist für mich dabei auch Barbara Bleisch mit ihrem warmen, klugen Buch „Mitte des Lebens – eine Philosophie der besten Jahre“ und Axel Hacke „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“.
Ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ich versuche gerade zu lernen, Hilfe anzunehmen, das fällt mir unglaublich schwer und doch sagte eine andere wundervolle Begleiterin (meine Ärztin): „Du bist so behütet und das Universum passt so gut auf Dich auf. Es kommt alles, wie es kommen soll und es ist genau richtig“. Ich wünsche mir, dass das für uns alle gilt.
Das ist meine Besinnung.
Und dann leuchtet im Hintergrund auch zart die Vorfreude auf mein Buch.
Ich wünsche Euch von Herzen eine Zeit der Besinnung, der Sinnfindung und des Friedens mit Euch selbst.